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„Wir unterstützen den Weg Serbiens und der Länder des Westlichen Balkans in die EU.“

Staatssekretär Miguel Berger

Staatssekretär Miguel Berger, © Auswärtiges Amt

29.07.2021 - Interview

Staatsekretär Miguel Berger besucht derzeit den westlichen Balkan. Aus diesem Anlass sprach er mit der serbischen Zeitung Blic.

Frage: Halten Sie eine Einigung zwischen Aleksandar Vučić und Albin Kurti in absehbarer Zeit für möglich? Wenn ich das sage, meine ich 2021 oder möglicherweise 2022?

Staatssekretär Berger: Wichtig ist, dass von beiden Seiten alles dafür getan wird gute und nachhaltige Lösungen zu finden. Für uns bedeutet das, dass ein umfassendes und rechtlich bindendes Abkommen ausgehandelt wird, auch wenn das noch etwas Zeit in Anspruch nimmt. Eine Lösung muss schließlich auch umgesetzt werden, dazu muss man die Bevölkerung gewinnen.

Ein solches Abkommen soll es beiden Ländern ermöglichen, die EU-Perspektive zu realisieren. Das würde maßgeblich dazu beitragen, dass die gesamte Region stabiler wird. Klar ist aber auch: Was bisher verabredet wurde, muss eingehalten werden. Das gilt für beide Seiten. Deutschland wird alles tun, um den Dialog zu unterstützen und beiden Seiten beim Finden einer guten Lösung behilflich zu sein.

Frage: Deutschland lehnt die Erweiterung der Europäischen Union zusammen mit Frankreich und den Niederlanden entschieden ab. Andererseits sind die Erwartungen an Serbien, aber auch an andere Kandidatenländer, hoch. Das wirkt demoralisierend. Kann sich in diesem Sinne etwas ändern?

Berger: Es scheint mir hier ein Missverständnis zu geben: Deutschland setzt sich für die EU-Perspektive Serbiens und der übrigen Länder des Westlichen Balkans ein, daran lassen wir nicht den geringsten Zweifel.

Richtig ist natürlich, dass die dafür nötigen Bedingungen erfüllt sein müssen. Reformen in unterschiedlichen Bereichen des Rechtsstaats kommen vor allem den Bürgerinnen und Bürgern zugute. Was zu verständlichen Enttäuschungen führt ist, wenn es zu politischen Blockaden kommt. Deshalb hoffen wir, dass es gelingt die Bedenken Bulgariens gegen die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen mit Nord-Mazedonien auszuräumen.

Gerade weil wir dem Beitrittsprozess mehr Schwung verleihen wollen, begrüßen wir es, dass Serbien sich für die neue Erweiterungsmethodologie entschieden hat. Das Tempo der Verhandlungen und die Fortschritte werden dabei ganz maßgeblich von Serbien selbst gesteuert: je schneller die Reformen im Rechtstaatsbereich, der Justiz, zur Freiheit und Unabhängigkeit der Medien, zur Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität vorankommen, desto schneller schreiten auch die Beitrittsverhandlungen voran. Die Ankündigung der serbischen Regierung, die Justizreform bis Ende des Jahres umzusetzen, gibt dabei Grund für Optimismus.

Frage: Wie beurteilen Sie die Beziehungen zwischen Serbien und Deutschland heute?

Berger: Unsere Beziehungen sind eng und vielfältig, auch auf politischer Ebene. Trotz der Corona-Einschränkungen haben wir weiter sehr viel Austausch und den Draht zwischen Berlin und Belgrad noch ausgebaut. Im März hat Außenminister Maas Außenminister Selaković in Berlin empfangen und bald darauf im April die neue deutsche Botschaft in Belgrad eröffnet. Parlamentspräsident Dacic war erst vor kurzem in Berlin. Auch im Berliner Prozess zur Förderung der regionalen Kooperation auf dem Westlichen Balkan, zu dem Bundeskanzlerin Merkel Anfang Juli eingeladen hatte, haben wir in diesem Jahr in vielen Formaten intensiv bis hin zum Gipfeltreffen zusammengearbeitet.

Unsere Länder sind auch über die vielen menschlichen, familiären und privaten Kontakte sehr eng miteinander verbunden. Das schlägt sich nicht zuletzt auch in einem sehr regen wirtschaftlichen Austausch nieder: Über 70.000 Arbeitsplätze in Serbien wurden durch Unternehmerinnen und Unternehmer deutscher Firmen geschaffen.

Frage: In den nächsten drei Tagen werden Sie mit dem Präsidenten Serbiens, der Premierministerin, dem Außenminister sprechen… Welche Botschaft übermitteln Sie?

Berger: Ich werde mich für das Mitgefühl aus Serbien bedanken, das wir nach der Hochwasserkatastrophe in Deutschland erhalten haben. 2014 haben wir Serbien bei einem folgenschweren Hochwasser unterstützen können. Jetzt erleben wir Deutsche enorme Solidarität und Hilfsbereitschaft - auch aus Serbien.

Darüber hinaus werde ich meinen Besuch dazu nutzen, Serbien zu versichern: Deutschland ist ein enger und zuverlässiger Freund und Partner. Das gilt gerade für die EU-Beitrittsverhandlungen. Wir unterstützen den Weg Serbiens und der Länder des Westlichen Balkans in die EU.

Frage: Wenn Sie heute auf die anderthalb Jahre zurückblicken und alles, was die Welt mit dem Corona-Virus erlebt hat, wie würden Sie diese Zeit einschätzen? Glauben Sie, dass das Ende dieses Kampfes näher rückt und haben wir aus all dem etwas gelernt?

Berger: Corona hat unsere Politik, aber auch unsere Gesellschaften, vor eine ungeheure Herausforderung gestellt. Wir haben in den letzten eineinhalb Jahren ein hohes Maß an internationaler Zusammenarbeit und Solidarität erlebt – zwischen den Staaten aber auch als Zusammenhalt in der Gesellschaft. Wir haben gelernt, dass wir solche Herausforderungen nur durch internationale Zusammenarbeit lösen können. Die Corona-Pandemie zeigt auch, dass wir zu schnellem Handeln und zu schnellen Lösungen im Stande sind. Wer hätte noch vor einem Jahr gedacht, dass wir heute zuverlässige Impfstoffe gegen Corona haben und mit unserer Impfkampagne schon so weit sein würden? In Deutschland und in Serbien.

Das Entscheidende ist, dass wir jetzt nicht nachlassen. Corona ist trotz des Fortschritts bei den Impfungen in Europa noch nicht vorbei. Wir werden erst dann mehr Sicherheit und Schutz vor neuen Virusvarianten haben, wenn es uns gelingt die gesamte Welt zu impfen. In unseren Ländern ist es wichtig, dass möglichst viele Menschen sich impfen lassen, um den größtmöglichen Schutz zu haben.

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